Mit 967.000 Hektar Rebfläche ist Spanien das größte Weinland der Welt. Spanien war im 19. Jahrhundert sogar ein noch viel größeres Weinland als es heute ist. Gebiete wie Málaga oder Rueda hatten damals 110.000 Hektar bzw. 90.000 Hektar Rebland. Heute sind es im Fall von Málaga weniger als 1.000 Hektar, auf denen Weinbau wieder betrieben wird. Bei Rueda sind es immerhin 17.000 Hektar.
Dieser enorme Rückgang hat ursächlich mit einem kleinen Insekt zu tun, das sich ab 1863 durch die Weinberge Europas fraß und fast den gesamten Rebbestand des Kontinents zerstörte: Die Reblaus wurde von Amerika nach Europa eingeschleppt. Der Schädling ist gerade mal knapp über einen Millimeter groß. Er bedient sich an den Wurzeln der Reben, indem er diesen den Saft entzieht und die Rebe so letztlich abtötet.
In Spanien trat die Reblaus 1878 erstmals in Málaga auf. Fast alle Weinberge des Landes wurden in den Folgejahren vernichtet und dabei ebenfalls viele autochthone Sorten ausgerottet.
Nur in wenigen Regionen mit tiefgründigen sandigen Böden überlebten manche Weinstöcke. Die Reblaus kann sich im Sand nämlich schwer fortbewegen. In Gebieten wie Rías Baixas, Rueda und Jumilla war dies hauptsächlich der Fall. Dort finden sich heute noch Weinreben, die 150 Jahre und älter sind. Man bezeichnet sie als „wurzelecht“, worauf wir gleich zu sprechen kommen. Heutzutage stellen solche wurzelechte Reben absolute Ausnahmen dar: Beispielsweise wurden in Rueda von der Reblaus nur etwa 200 Hektar (von den einst 90.000 Hektar) verschont.
Zum Schutz vor der Reblaus werden europäische Edelreben nur noch als sogenannte Pfropfreben gepflanzt
Die Reblaus ist nicht verschwunden, sondern bis heute eine Gefahr für den Weinanbau. Glücklicherweise gibt es eine wirksame Methode sich gegen den Schädling zu wehren: Bereits um 1880 fand man heraus, dass amerikanische Wildreben immun gegen die Reblaus sind. Aus diesen Wildreben züchtete man widerstandsfähige Hybriden.
Seither werden in Europa alle Weinberge zwingend mit sogenannten Pfropfreben angelegt. Eine solche Pfropfrebe besteht aus zwei Teilen: Erstens ist das eine amerikanische Unterlagsrebe, die nach unten in den Boden wächst und deren Wurzeln von der Reblaus nicht attackiert werden. Zweitens eine europäische Edelrebe, die nach oben wächst und die Trauben trägt.
Die Namen der europäischen Edelreben kennen wir alle: Sie heißen Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Tempranillo, und so weiter. Die Namen der amerikanischen Unterlagshybriden kennt hingegen niemand: Oder haben sie schon einmal von Kober 5BB, Teleki 5C oder Börner gehört?
Die Weinveredelung: Edelreis und Unterlage werden durch einen Schnitt vereint
Die amerikanische Unterlagsrebe beschützt also die europäische Edelrebe vor dem Reblaus-Befall. Wie fügt man beide zusammen? Das geschieht durch das sogenannte Pfropfen, weshalb man eben von „Pfropfreben“ spricht. Pfropfen bedeutet laut Definition, dass „der Spross eines wertvollen Gewächses auf ein weniger wertvolles Gewächs zur Veredlung aufgesetzt wird.“ Deshalb wird das Pfropfen auch als Weinveredelung bezeichnet.
Das Pfropfen bzw. die Weinveredelung geschieht, indem das Holz einer Edelrebe (Edelreis) und das Holz einer Unterlagsrebe (Unterlage) mit einem Omegaschnitt vereint werden. Anschließend wird die Schnittstelle mit Wachs versiegelt und ein Steckling herangezogen. Das Aufziehen solcher neuer Reben geschieht in Rebschulen. Wie Unterlage und Edelreis dort zu einem Steckling zusammengefügt werden, zeigt anschaulich und im Detail dieses YouTube-Video:
Ob Pfropf- oder wurzelechte Reben: auf die Qualität des Weins hat es keinen Einfluss
In manchen Fällen pflanzen Winzer zuerst nur eine amerikanische Unterlagsrebe im Weinberg. Diese lassen sie ein oder zwei Jahre Wurzeln schlagen und pfropfen danach das Edelreis der europäischen Rebe am Gehölz der Unterlagsrebe auf. Auf diese Art kann die Weinveredelung auch stattfinden.
Übrigens: Ob eine Rebe wurzelecht oder gepfropft ist, hat keinen Einfluss auf die Qualität des Weins. Den Charakter des Rebstocks und somit des späteren Weins bestimmt einzig die nach oben wachsende, Trauben tragende Edelrebe. Das ist eine gute Nachricht für uns Konsumenten.
Beim Kauf spanischer Weine stoßen wir Konsumenten häufiger auf Weine, die aus den Trauben von 100 Jahre alten Reben gewonnen sind. Manchmal tragen die Etiketten einen Zusatz wie „Viñas Centenarias“ (Hundertjährige Reben). Solche 100 Jahre alte Reben sind bereits gepfropft. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Europa neue Weinberge mit Pfropfreben angelegt.
Nur ganz selten werden Weinliebhaber einem Gewächs begegnen, das aus 150 Jahre alten Reben gekeltert ist. Nicht etwa, weil Reben ein solches Alter nicht erreichen könnten, sondern schlichtweg, weil die Reblaus damals (und in den Folgejahren) nahezu alle Weinberge zerstörte.
In unserem Vino & Alma-Shop führen wir einen Weißwein, der zum Teil aus solchen raren wurzelechten Reben, die über 150 Jahre alt sind, gewonnen wird. Er kommt aus dem galicischen Anbaugebiet Rias Baixas (Sandböden) und entstamm der Rebsorte Albariño.