Mit jährlich über 11.000 Bewertungen von spanischen Weinen ist der Guia Peñin ein wichtiges Medium für Weinprofis und ebenso eine Orientierung für Endkunden. Erstmals erschien der Weinführer im Jahr 1990. Benannt ist er nach seinem Gründer José Peñin, der in Medien häufiger als der „Spanische Robert Parker“ bezeichnet wird. Zumindest haben José Peñin und Robert Parker gemeinsam, dass sie etwa zur selben Zeit begannen sich mit Wein professionell zu beschäftigen und dass sie beide ursprünglich einem anderen Beruf nachgingen.
José Peñin war in den 1970er-Jahren als Pharmavertreter beschäftigt. Bis zum 33. Lebensjahr trank er nach eigener Aussage keinen Alkohol. Auf einer Geschäftsreise traf José Peñin einen Weinkenner. Die beiden verstanden sich, er fing Feuer, und sie gründeten einen Weinclub. Ab 1980 arbeitete Peñin als Weinjournalist, gab Magazine heraus und schrieb Bücher. Den größten und nachhaltigsten Erfolg bescherte ihm sein Weinführer Guia Peñin, der ihn zum wichtigsten Kritiker des Landes machte. Inzwischen erscheint der Guide in digitaler und gedruckter Form.
Auch heute, im gesetzten Alter, ist José Peñin umtriebig und aktiv. Er publiziert regelmäßige Artikel auf seinem persönlichen Blog und steuert Beiträge für namhafte Zeitschriften und Tageszeitungen bei. Sein Guia Peñin hat sich zu einem breit aufgestellten Unternehmen entwickelt: Neben der Weinführer-Publikation organisiert es Weinmessen und Events. Neuerdings ist sogar eine Agentur für Weinmarketing angedockt.
Aber wie kommen die Weinbewertungen im Guia Peñin eigentlich zustande?
Auch der Guia Peñin bewertet nach dem international gängigen 100-Punkte-Schema. Im Gegensatz zum Wine Advocate von Robert Parker (wo einzelne Kritiker für die Bewertungen alleine zuständig sind, zum Beispiel Luis Gutierrez für Spanien) ist es beim Guia Peñin ein Verkosterteam, das die Bewertungen vornimmt. In der Regel werden die Weine eines Weingebiets in großen Tastings verkostet und bepunktet. Schritt für Schritt arbeitet sich das Team so durch alle spanische Weingebiete durch.
Die Degustationen der Peñin-Mannschaft finden offen statt. Ergo erkennen die Verkoster am Etikett die von ihnen probierten Weine. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass sich ein Wein besser einschätzen lässt: Drückt er beispielsweise die Rebsortentypizität schön aus. Und wie verhält er sich im Vergleich zu den vorangehenden Jahrgängen. Ein möglicher Nachteil besteht darin, dass sich die Verkoster bei offenen Tastings zu sehr von großen und bekannten Namen beeinflussen lassen können.
Den Weinbewertungen liegen folgende Kriterien zugrunde: Aussehen, Geruch, Geschmack und Gesamteindruck. Bekommt ein Wein in all diesen Kategorien die maximale Punktzahl, so steht ein Endergebnis von 100 Punkten zu Buche. Jene Weine, die 94 Punkte oder mehr erhalten, werden nochmals einem zweiten Tasting unterzogen, bei dem die Bewertungen dann final festgezurrt werden. Übersetzt man die Punkte in Wörtern, so erhalten wir folgendes Ergebnis:
95-100 Punkte = außergewöhnlicher Wein
90-94 Punkte = exzellenter Wein
85-89 Punkte = sehr guter Wein
80-84 Punkte = guter Wein
Schaut man sich diese Einordnung an, so erhält man leicht den Eindruck es gäbe heute nur noch sehr gute, exzellente und außergewöhnliche Weine auf dem Markt. Gewiss ist es so, dass sich die Qualität spanischer Weine sowohl in der Spitze als auch in der Breite in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten enorm verbessert hat.
Nichtsdestotrotz wirken die Bewertungen im Durchschnitt zu hoch: Für die in Kürze erscheinende Jahresausgabe 2022 hat der Guia Peñin in einer Pressemeldung jüngst erste Ergebnisse veröffentlicht. So kommen zum Beispiel die Weine der Appellation Jerez-Xérez-Sherry in der neuen Ausgabe im Durchschnitt auf 92,78 Punkte. Es folgen die Anbaugebiete …
Montilla-Moriles (91,52 Punkte)
Priorat (91,19)
Ribeira Sacra (90,87)
Ribera del Duero (90,57)
Rías Baixas (90,48)
Valdeorras (90,39)
Ribeiro (90,17)
Bierzo (90,17)
Montsant (90,16)
Ein 90-Punkte-Wein aus dem Priorat schneidet demnach innerhalb seines Gebiets unterdurchschnittlich ab, gilt zugleich aber noch laut Definition (siehe oben) als „exzellent“. Man darf diesbezüglich sicher die kritische Frage stellen, was ein an sich gutes Ergebnis von 90 Punkten in diesem Kontext noch wert ist bzw. wie es zu deuten ist.
Trotz dieser Kritik an der Weinkritik ist und bleibt der Guia Peñin ein wichtiges Leitmedium, wenn es um die Einordnung spanischer Weine geht. An der obigen Aufstellung ist zum Beispiel interessant, dass nicht etwa die bekannten Appellationen Rioja, Rueda und Ribera del Duero die Liste anführen, sondern gleich vier galicische D.O.-Gebiete in den Top-10 auftauchen. Dies zweigt wiederum die neue Dynamik und Vielfalt des Weinlands Spanien, in dem lange Zeit unbekannte Gebiete wie Ribeiro oder Ribeira Sacra plötzlich ins Scheinwerferlicht treten.
Titelbild: Eingang zu einer von Guia Peñin veranstalteten Weinmesse im Jahr 2019 in Madrid.