Weinaromen sind äußerst komplex und vielseitig. Allein das sogenannte „Wein-Aromarad“ – 1985 von der amerikanischen Professorin Ann C. Noble entwickelt – führt 94 gängige Einzelaromen auf, welche ein Wein enthalten kann. Dabei offenbart Wein nicht nur fruchtige Anklänge wie Kirsche, Pfirsich und Brombeere oder blumige Noten wie Akazie und Veilchen. Wein kann ebenfalls karamellig, balsamisch, würzig, animalisch und nach vielen Aromen mehr duften und schmecken.
Woher kommt diese faszinierende Bandbreite an Aromen im Wein? Warum schmeckt Wein nicht einfach nur nach der Traube, aus der er gemacht ist? Wie entstehen all diese Düfte? Profis unterteilen die Weinaromen diesbezüglich in drei Kategorien: Primär-, Sekundär- und Tertiäraromen. Was hiermit gemeint ist, erklären wir im Folgenden.
Primäraromen – die Aromen aus der Traube
Die sogenannten Primäraromen gelten auch als Fruchtaromen, weil sie direkt von der Traube bzw. deren Beeren kommen. Jede Rebsorte entwickelt nämlich einen eigenen sortentypischen Geschmack. Die weiße Sauvignon Blanc ist beispielsweise für Stachelbeerduft bekannt, die in Spanien vorkommende Albariño für Zitrusfrucht. Während die rote Cabernet Sauvignon oftmals ein Aroma von Schwarzer Johannisbeere entwickelt, hat die Tempranillo eher Brombeere zu bieten.
Einen weiteren Einfluss auf die Primäraromatik nehmen nicht nur die Rebsorte, sondern auch das Klima und Böden. Chardonnay ist zum Beispiel eine Rebsorte, die im Duft und Geschmack besonders unterschiedlich ausfallen kann, je nachdem, in welchem Boden sie wurzelt und ob sie in einem kühlen oder heißen Klima wächst.
Eine transparente Primärfrucht bzw. Primäraromatik tritt in der Regel bei Weißweinen und jungen Rotweinen, die im Stahltank ausgebaut werden, am deutlichsten zu Tage. Solche Gewächse sind durch fruchtige und blumige Aromen gekennzeichnet.
Sekundäraromen – Weinaromen, die bei der Gärung und beim Ausbau des Weins entstehen
Sekundäraromen entstehen im Prozess der Weinbereitung, insbesondere bei der Gärung und dem Ausbau des Weins auf der Feinhefe und/oder im Holzfass. Eine entscheidende Bedeutung kommt dabei dem Winzer zu: Je nachdem für welche Methoden der Weinbereitung er sich entscheidet, nimmt er auf die Weinaromen Einfluss:
Zum Beispiel kann eine alkoholische Gärung bei niedriger Temperatur – etwa unter 18 °C – die fruchtigen und blumigen Aromen aus der Beere sehr gut erhalten bzw. hervorbringen. Wenn sich der Winzer für eine höhere Gärtemperatur entscheidet – etwa um die 28 °C – dann entwickelt der Wein stattdessen ganz andere Aromen, die an Wachs, Pilze, Moos, Trüffel, Nüsse, Käse, Heu, feuchtes Laub, Kuhstall und vieles mehr erinnern können.
Bei der alkoholischen Gärung wird also nicht nur Saft zu Wein verwandelt; es können zugleich Aromen aus dem balsamischen, erdigen, vegetabilen und animalischen Spektrum im Wein hinzukommen. Chemisch gesehen entwickeln sich bei der alkoholischen Gärung diverse Enzyme in neue Duftstoffe.
Darüber hinaus gibt es die sogenannte malolaktische Gärung. Hierbei wird die im Wein enthaltene spitze Apfelsäure teilweise in mildere Milchsäure umgewandelt. Der Wein wird dadurch weicher und runder.
Gerade bei Weißweinen verzichten viele Weinmacher auf eine malolaktische Gärung, weil sie den Weißwein knackig-frisch haben wollen. Wenn Weißweine allerdings eine „Malo“ durchlaufen, dann erhalten sie dabei oftmals eine buttrige Note. Darüber hinaus werden viele Weißweine heutzutage für einige Monate auf der Feinhefe ausgebaut, was dem Wein mehr Textur und Fülle und teigige Aromen verleiht.
Rotweine sind wiederum dafür bekannt, dass sie mehrere Monate bis mehrere Jahre im Holzfass ausgebaut werden. Durch diesen Holzkontakt entstehen Aromen wie Vanille, Rauch, Kokosnuss, Kaffee oder Tabak im Wein.
Tertiäraromen – Weinaromen, die bei Reifung in Fass und Flasche entstehen
Ist ein Wein erst einmal abgefüllt, so ist er damit noch lange nicht an seinem Ende angekommen: Mit der Flaschenreife beginnt eine neue aromatische Entwicklung: Geschmacksstoffe, die an Phenolmolekülen hängen, reagieren mit dem wenigen Sauerstoff in der Flasche. In einem langsamen und jahrelangen Prozess verändert sich so die Aromatik des Weins. Die dabei entstehenden Weinaromen werden als Tertiäraromen bezeichnet.
Bei Rotweinen verwandelt sich das anfängliche Aroma von frischer Frucht oftmals hin zu Aromen von Trockenfrüchten wie Rosinen und Feige. Auch Nougat- und Schokoladen-Töne sind nicht selten, wenn ein Rotwein lange in der Flasche reift. Typische Tertiäraromen bei Weißweinen sind Sherry-Noten (Mandeln, Nüsse), Petroleum und Kamille.
Tertiäraromen sind in der Mehrzahl der heutigen Weinen kaum vorhanden, bzw. sie spielen nur eine untergeordnete Rolle, da heutzutage gut neunzig Prozent aller Weine jung getrunken werden. Insbesondere auf Weiß- und Roséweine, aber auch auf Rotweine trifft das verstärkt zu.
Nur etwa zehn Prozent aller heutigen Weine erhalten ein Flaschenlager von drei bis zehn Jahren, wobei sich weniger als ein Prozent für eine Flaschenreife von über zehn Jahren eignet. Der Ausspruch „Wein wird im Alter besser“ trifft also höchstens auf einen eher kleinen Teil zu. Viele einfache Weine, die fruchtig-frisch sind, verlieren bei langer Flaschenreife an Qualität. Hingegen bilden die Tertiäraromen bei jenen Weinen, die mit der Flaschenreife dazu gewinnen, das Tüpfelchen auf dem i.