Auf Vino&Alma starten wir eine Beitragsserie über Weinklassiker. In insgesamt vier Artikeln stellen wir jeweils fünf spanische Weingüter mit Weltruf vor. Wer sich viel mit Spanien und Wein beschäftigt, wird diese Erzeuger kennen. Und wer sich für spanischen Wein generell interessiert, sollte ihre Namen und Kultweine zumindest kennen. Wir beginnen heute mit Spaniens Top-Weinregion Rioja und deren Subzonen Alta und Alavesa.
Die Rioja ist nicht zufällig ein Spitzenweingebiet. Die nordspanische Appellation, welche sich auf 120 Kilometer Länge den Fluss Ebro entlang zieht, bietet nahezu optimale Bedingungen für den Weinbau: Da wäre zum einen ein Klima mit mediterranen, kontinentalen und atlantischen Einflüssen, das viel Sonne mit sich bringt, aber nicht zu heiß ausfällt. Zum anderen gibt es ausreichend Regen: Weder ist das Gebiet zu trocken, noch ist es zu feucht. Außerdem verfügt die Rioja über Höhenlagen, die kühle Nächte mit sich bringen und den Reifezyklus der Trauben verlängern. Last, but not least sind die Kalk- und eisenhaltige Tonböden nicht zu arm und ebenfalls nicht zu fruchtbar. Die Reben erhalten somit ausreichend Nährstoffe, um gut zu wachsen, ohne dabei zu üppige Erträge zu ergeben. Man kann also sagen, dass die Rioja über ein hervorragendes Gleichgewicht verfügt, was Klima und Böden betrifft.
Klassische Rioja-Weine stehen für Eleganz, Frische und Finesse. Es handelt sich um Rotweine mit einer etwas helleren Farbe und weniger Konzentration, verglichen mit den moderneren Weinen. Die klassischen Rioja-Weine stehen ferner für großes Reifepotenzial; auch nach 40 und 50 Jahren schmecken sie top-frisch.
Die ersten Klassiker aus dem 19. Jahrhundert
Die Rioja wurde in den 1860er-Jahren an die Eisenbahn angeschlossen, und so erhielt das Gebiet eine direkte Verbindung nach Bilbao. Praktisch gleichzeitig traten in Frankreich eine große Mehltau-Plage und der Reblaus-Schädling auf, welche Weinernten und Weinberge zerstörten. Deshalb kamen viele Weinhändler und Kellermeister aus dem Bordeaux in die Rioja und ließen sich nieder. Französische Händler und Expertise – gepaart mit dem neuen Eisenbahnanschluss – lösten einen großen Weinboom in der Rioja aus: Viele Bodegas wurden Ende des 19. Jahrhunderts gegründet.
Eines der wenigen renommierten Weingüter, die es schon davor gab, ist Marques de Murrietta. Der adlige Luciano Murietta gründete das Weingut 1852 im französischen Chateau-Stil. Das heißt ein Anwesen mit herrschaftlichem Gebäude und Kellerei, die von eigenen Weinbergen umgeben sind. Das Schloss heißt Castillo Ygay und nach diesem ist die Castillo Ygay Gran Reserva Especial benannt. Wie alle klassischen Rioja-Weine ist es kein sortenreiner Tempranillo. Die Traube stellt zwar die Hauptsorte dar, wird aber um Garnacha ergänzt. Der Weinberg befindet sich auf 485 m.ü. NN in der Subzone Rioja Alta und wurde 1966 angelegt. Dies ist ein absoluter Kultwein, dessen jüngere Jahrgänge preislich bei um die 100 Euro liegen.
Die Subzone Rioja Alta ist jene mit der größten Tradition in der DOCa Rioja. Darüber hinaus gibt es die klimatisch wärmere Subzone Rioja Oriental und den baskischen Teil Rioja Alavesa. Das Weinzentrum von Rioja Alta bildet die Kleinstadt Haro. Das dortige Eisenbahnviertel verfügt über eine Dichte an Spitzenweingütern, wie sie vielleicht nirgendwo sonst in der Welt zu finden ist. Die folgenden drei Weinbetriebe sind alle im Haroer Eisenbahnviertel ansässig.
Die Traditionshäuser aus Haro in Rioja Alta
Das 1877 gegründete Weingut R. López de Heredia Viña Tondonia ist vielleicht das Legendärste unter den legendären Rioja-Weingütern. Zu diesem Ruf trägt eine unfassbar lange und traditionelle Weinbereitung bei. Das Weingut keltert seine heutigen Weine genau so wie noch im 19. Jahrhundert. Alle Weine – ob weiß, rosé oder rot – werden ausschließlich in Holzfässern vergoren und gereift, teils sogar in den originalen Holztanks von 1877. Dabei kommt nur amerikanische Eiche zum Einsatz, wie es früher in der Rioja üblich war. Berühmt sind die Weine der Tondonia-Reihe für ihre geradezu elend langen Reifezeiten. Beispielsweise ist die Tondonia Gran Reserva Blanco ein Weißwein aus Viura (90%) und Malvasia (10%), der erst nach zwanzig Jahren Reifezeit – zehn Jahre in Barriquefässern und zehn Jahre Flaschenlager – in den Verkauf geht. Der Jahrgang 2001 wird bald in den Handel gelangen und hat vorab 99 Parker-Punkte erhalten. Nur etwa 5000 Flaschen wurden abgefüllt, und dieser Weißwein ist so begehrt, dass er für gewöhnliche Menschen nicht zu bekommen ist.
In direkter Nachbarschaft zu Viña Tondonia befindet sich Bodegas Muga, ein weiteres Traditionshaus, das alle seine Weine ausschließlich in Holzfässern vergärt und ausbaut. Muga unterhält sogar eine eigene Küferei, die etwa 2000 Fässer im Jahr herstellt. Die Fassgrößen betragen 225 bis 16.000 Liter. Das verwendete Holz und das Toasting (Anbrennen des Holzes von innen) werden dabei auf den Charakter eines jeweiligen Jahrgangs angepasst. Ein wesentlicher Unterschied von Muga zu Tondonia besteht vor allem darin, dass Muga für die Weinbereitung französisches Eichenholz verwendet und weniger lange Reifezeiten in Holz und Flasche vornimmt. Der Kultwein Prado Enea Gran Reserva kommt trotzdem auf drei Jahre Barrique und drei Jahre Flaschenlager, bevor er im siebten Jahr in den Handel gelangt. In üblicher Rioja-Tradition ist es eine Cuvée mit der Hauptsorte Tempranillo (80%), ergänzt um Garnacha, Graciano und Mazuelo.

Ein weiterer Traditionsbetrieb, seit 1890 in Haro, ist La Rioja Alta. Das Weingut kultiviert rund 450 Hektar Weinberge und füllt jährlich etwa 1,5 Mio. Flaschen ab. Hierunter ist die Viña Ardanza Reserva mit 36 Monaten Barrique ein weiteres Wahrzeichen der DOCa Rioja. Die Cuvée enthält stets um die 80 Prozent Tempranillo, den Rest stellt Garnacha. Wie viele klassische Rioja-Weine hat diese Reserva eine hellere ziegelrote Farbe. Die Schönung des Weins erfolgt traditionell mit Eiweiß. Der Rotwein wird nicht gefiltert, sondern alle paar Monate in neue Barriques umgezogen. Auch dies ist typisch für den alten Rioja-Stil.
Rioja Alavesa – große Einzellagenweine von Artadi
Wir verlassen Rioja Alta und wenden uns der im Baskenland gelegenen Subzone Rioja Alavesa zu. Das erst 1986 gegründete Weingut Artadi hat es in kurzer Zeit zu Kultstatus gebracht. Artadi ist dabei nicht nur viel jünger als die vorangehend beschriebenen Traditionshäuser, das Weingut verfolgt auch eine ganz andere Weinphilosophie. Beispielsweise ist Artadi im Jahr 2015 aus der Appellation DOCa Rioja ausgetreten, weil das Weingut deren Qualitätssystem nach den Reifestufen Crianza, Reserva und Gran Reserva ablehnt. Stattdessen verfolgt Artadi das burgundische Prinzip und erzeugt Top-Weine aus Einzellagen und im Vergleich mit deutlich kürzeren Reifezeiten in Barriques und in der Flasche. Viña El Pison ist eine solche 1945 angelegte Einzellage von etwa zwei Hektar Größe, die ausschließlich mit Tempranillo bestockt ist. Der gleichnamige Rotwein (ca. 350-500 Euro, abhängig von Jahrgangsqualität) gehört zweifellos zum Allerbesten, was das Weinland Spanien aktuell zu bieten hat.