Populäre Weinmythen und Irrtümer

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Die Welt der Weine steckt voller Irrtümer, Halbwahrheiten und Weinmythen. Wer sich an so manche vermeintliche Regel hält, vertut sich nicht selten den Genuss. Damit das nicht passiert, klären wir in diesem Text über populäre Wein-Irrtümer auf.

Rotwein muss mit Zimmertemperatur getrunken werden.

Dies ist eine der verbreitetsten Weinmythen. Wer sich an diese Regel hält, verdirbt sich allerdings den Weingenuss. Die Regel stammt aus dem 19. Jahrhundert, als die Wohnungen insgesamt und besonders das Speisezimmer viel kühler waren als heute. Als Zimmertemperatur gilt in der Weinwelt 16°C bis 18°C und nicht die 22°C bis 25°C, wie sie in heutigen Wohnungen zumeist vorherrschen. 

Der Grund ist simpel: Alkohol reagiert auf Temperatur. Bei Wärme entwickelt er einen stechenden Duft, einen brandigen und zudem süßlichen Geschmack. Der Wein verliert dabei die Balance. Deshalb ist es ratsam und wichtig Rotweine bei 16°C bis 18°C zu trinken. Bei leichteren Rotweinen mit wenig Tannin können es auch gerne 14°C sein. 

Rotwein wird mit dem Alter besser.

Es gibt Rotweine wie den Vega Sicilia Unico, auf die diese Aussage zutrifft. Sie sind auch nach 50 Jahren und mehr absolute Topklasse, bzw. besser als im jüngeren Alter. Die meisten Rotweine werden heutzutage selbst in Spanien viel kürzer ausgebaut. Barriquefässer kommen weniger oder gar nicht mehr zum Einsatz. Darüber hinaus sind vielen Weinmachern die Frische und Eleganz im Wein mittlerweile wichtiger, als Kraft und Extrakt. Diese leichteren, frischeren und eleganteren Rotweine sind bereits in jungen Jahren Spitze. Oftmals fehlt es ihnen an Extrakt und Tannin, um besonders lange altern zu können. Diese Weine erreichen irgendwann einen Punkt, an dem sie nicht mehr besser, sondern schlechter werden.

Wein lagern zuhause
Nicht jeder Rotwein wird im Alter besser. Wer Rotweine trotzdem über viele Jahr(zehnt)e reifen lassen will, muss auf die korrekte Lagerung achten.

Zu Käse trinkt man einen Rotwein.

Beim Genuss von Käse verändert dessen hoher Fettanteil die Geschmacksrezeptoren am Gaumen und folglich die Geschmackswahrnehmung. Kenner sind sich mittlerweile einig, dass es nicht Rotwein, sondern Weißwein ist, der in den meisten Fällen am besten mit Käse korreliert. Einzig bei einem trockenen Hartkäse lassen sie einen Rotwein gelten. 

Generell kann man sagen: Es sind die Kontraste, die eine genussvolle Käse-Wein-Liaison ausmachen. Wer meint zu einem sehr kräftigen Rotschimmelkäse einen ebenso kräftigen Rotwein trinken zu müssen, läge damit genau falsch. Die Unterschiede bringen vielmehr den Genuss: Milde und cremige Käse vertragen sich gut mit säurebetonten Weißweinen. Zu säuerlichem oder salzigem Käse passen wiederum feinherbe Weißweine. Zu pikantem Blauschimmel wie dem extrem würzigen Cabrales darf ein Süßwein ins Glas. Tränke man zum Cabrales-Käse einen tanninhaltigen Rotwein, dann würde sich dieser metallisch im Mund anfühlen.

Bei Rosés werden Weiß- und Rotweine miteinander vermischt.

In Übersee wird dies manchmal so praktiziert. In der EU ist es allerdings gesetzlich verboten. Roséweine werden hier aus Rotweintrauben mit einer speziellen Methode der Weinbereitung erzeugt. Dazu eine kurze Ausführung: Der Saft roter Trauben ist so hell wie jener von weißen Trauben. Die roten Farbpigmente stecken einzig in den Beerenschalen. Rotweine werden deshalb mit ihren Schalen vergoren. Dabei zieht der Saft die Farbpigmente aus den Schalen. Weißweine werden hingegen ohne Schalen und nur als Saft vergoren. 

Nun zum Roséwein: Dieser wird wie Weißweine ebenfalls als Saft vergoren. Allerdings „stehen“ Roséweine davor für eine mehr oder weniger kurze Zeit auf der sogenannten Maische mit Schalen und Beerenkernen. Dabei zieht der Saft rote Farbstoffe aus den Beerenschalen und erhält so die leicht rötliche Farbe. Umso kürzer die Maischestandzeit, umso heller der spätere Roséwein.

Rosé mit verschiedenen Farben
Je nachdem, wie lange Roséweine auf der Maische stehen, entwickeln sie eine hellere oder dunklere Farbe (Foto: Thomas Götz)

Weißwein muss jung getrunken werden.

Es gibt diese frisch-fruchtigen Weißweine, die kaum älter als zwei Jahre sein sollten. Es gibt zugleich viele Weißweine mit knackiger Säure, Ausbau auf der Feinhefe und manchmal auch im Holzfass, die eine große Langlebigkeit mitbringen. Die im Alter aromatisch komplexer werden und gleichzeitig lebendig bleiben. Rieslinge GG sind legendär dafür. Es gibt aber auch Viuras aus der DOCa Rioja und vermehrt Albarinos aus Galicien, die es locker auf 10 bis 20 Jahre bringen. Ob ein Weißwein jung getrunken werden soll oder ob er ein langes Reifepotenzial besitzt, hängt stark davon ab, wie ihn der Weinmacher ausbaut. Eine generelle Regel ist es jedenfalls nicht. 

Bier auf Wein, das lass sein.

Bier auf Wein verursacht keine Kopfschmerzen, wie das gemeinhin angenommen wird. Höchstens ein Zuviel an Bier auf Wein. Es gibt sogar einen Spruch unter Weinprofis, der lautet: „Das Beste an der Weindegustation ist das Bier danach.“ Wein hat viel Säure, und ein kühles Bier danach neutralisiert den Mundgeschmack.
Das Sprichwort „Bier auf Wein, das lass sein — Wein auf Bier, das rat ich dir.“ hat stattdessen einen sozialen Hintergrund: Vor 150 Jahren noch konnten sich einfache Menschen lediglich Bier leisten. Wein war ein Getränk der Reichen. “Wein auf Bier” beschrieb also den sozialen Aufstieg. Die Gegenrichtung Bier auf Wein hingegen verwies auf den sozialen Abstieg.

Kirchenfenster im Weinglas bedeuten hohe Weinqualität.

Kirchenfenster, auch Weintränen genannt, bilden sich beim Schwenken des Weins im Glas. Manche dieser Schlieren bestehen erstaunlich lange, bevor sie sich wieder auflösen. Unter Weintrinkern herrscht eine gängige Annahme, dass die Menge der Schlieren und die Dauer ihres Verbleibs an der Glasinnenwand auf die Weinqualität schließen lassen. Das ist falsch. Kirchenfenster sagen nichts über die Qualität eines Weins aus. Sie geben stattdessen Auskunft über die Zusammensetzung eines Weins: Die Fließfähigkeit einer Flüssigkeit bezeichnet man als Viskosität. Welche Viskosität ein Wein aufweist, hängt davon ab, wie hoch der Alkohol-, Zucker- und Extraktgehalt ist. Alkoholische und extraktreiche Weine sind dickflüssiger als leichte Weine. Erstgenannte bilden deshalb ausgeprägtere und länger anhaltende Kirchenfenster im Glas.

Ein Löffel in der Sektflasche hält den Schaumwein prickelnd.

Theoretisch ist da etwas Wahres dran. Den Satz kann man zu den halbwahren Weinmythen zählen. Kohlensäure entweicht nämlich bei Wärme. Und ein Silberlöffel leitet Wärme aus der Flasche heraus. Die Kohlensäure entweicht somit langsamer.
Dieser Effekt ist aber gering. Viel besser ist es, eine geöffnete Sektflasche stets kühl zu halten und mit einem Korken oder Glasstopfen zu verschließen. Hierbei bleibt mehr Kohlensäure erhalten. Auch sollte man die Sektflasche nicht ins Kühlschrankfach stellen, wo sie beim ständigen Öffnen und Schließen durchgeschüttelt wird. Besser ist es die Flasche zu legen. Oder noch besser: Den Schaumwein einfach austrinken.

Ein hochwertiger Wein wird immer mit einem Korken verschlossen.

Auf Spanien trifft diese Aussage zu. Spanien ist nach Portugal der zweitgrößte Korkproduzent der Welt, und Kork ist ein Wirtschaftszweig. Naturkorken haben eine große Tradition in Spanien. Die spanischen Konsumenten verlangen danach, und kein Weinmacher würde es sich erlauben seine besten Weine mit einem Drehverschluss auszustatten.

Auf Deutschland und Österreich trifft das nicht mehr zu. Es gibt zahlreiche Winzer, die sich ganz bewusst dafür entschieden haben ihre Weine mit einem Drehverschluss zu verschließen. Auch die Top-Gewächse. So vermeiden sie das (geringe) Risiko eines Korkfehlers im Wein. Die mitteleuropäischen Kunden haben den pragmatischen Drehverschluss inzwischen akzeptiert.

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