September ist der Hauptmonat der Weinlese, und diese stellt zugleich den Höhepunkt des Weinjahres dar. Überall in Spanien herrscht reger Betrieb in den Weinbergen. Nicht nur weil die Traubenlese viel Arbeit an sich erfordert, sondern auch, weil die geernteten Trauben möglichst schnell in den Weinkeller gelangen sollen.
Eine zügige Weiterverarbeitung des Leseguts garantiert unter anderem, dass der Gärprozess nicht schon einsetzt, bevor die Trauben im Keller bzw. in den Gärbehältern landen. Platzen Trauben darüber hinaus auf – zum Beispiel weil sie in einem großen Korb vom Gewicht der Oberen zerdrückt werden – dann kann der Beerensaft im Kontakt mit Luft außerdem oxidieren und verderben. Auch diesen Fall gilt es zu verhindern.
Die Weinlese findet zumeist in den frühen Morgenstunden und bei manchen Weinbetrieben sogar in der Nacht statt. Die Temperaturen liegen dann deutlich niedriger als am Mittag und am Nachmittag. Kühle Temperaturen bedeuten, dass die Trauben ebenfalls vor einer unkontrolliert einsetzenden Gärung geschützt sind. Auf den Beerenschalen befinden sich nämlich wilde Hefen, die bei Wärme zu arbeiten beginnen und ggf. eine solche unerwünschte Gärung auslösen können.
Die Weinlese und die Bestimmung des richtigen Zeitpunkts
Rasche und gut koordinierte Ernteabläufe sind aber nicht das einzige, was von großer Bedeutung ist. Auch der Lesezeitpunkt ist wichtig. Denn wartet der Winzer mit der Ernte zu lange – bleiben die Trauben also zu lange am Stock – dann verlieren die überreifen Beeren an Säure und bilden zugleich eine übermäßige Konzentration an Fruchtzucker heraus. Bei einem trocken ausgebauten Gewächs wäre das im Resultat ein zu alkoholischer und säurearmer Wein.
Werden Trauben hingegen zu früh, sprich unreif gelesen, dann wird der Wein ebenfalls unreif schmecken, also bitter und sauer.
Bei der Weinlese können folglich ein paar Tage zu früh oder zu spät bereits negative Auswirkungen auf den späteren Wein haben. Aber wie bestimmt ein Weinmacher den richtigen Lesezeitpunkt? Woher weiß er, dass der Tag X gekommen ist?
Dazu haben wir die Önologin Rosa Pascual befragt. Sie unterstützt mehrere spanische Weingüter bei der Weinbereitung. Wir sehen Rosa unten auf dem Foto. Sie hockt vor einem Rebstock der Sorte Pedro Ximénez und hat es auf dessen Trauben abgesehen.
Kerne, Schale und Saft der Beere werden begutachtet und geschmeckt
Zuerst zupft Rosa jeweils mehrere Beeren aus verschiedenen Trauben. Dann bricht sie jede einzelne Beere auf, um sich die Kerne anzuschauen.
Die Kerne geben bereits einen ersten Aufschluss über den Reifegrad. Denn bei einer reifen Beere sind sie nicht mehr grün, sondern braun. Ein ganz klein bisschen grün sind die Enden dieser Kerne noch, die Rosa im Foto unten auf dem Finger hat. Aber Rosa sagt, dass das gar nicht schlimm ist. So enthält die Beere noch etwas mehr Säure, das macht den späteren Weißwein saftiger und frischer.
Außerdem beißt Rosa in die Kerne. Sie will dabei sehen, ob sie noch bitter schmecken. Das ist nicht mehr der Fall, und das ist gut so.
Als nächstes schmeckt Rosa vom Saft der Beere und kaut auf deren Schale. Die Beerenhaut ist weich und lässt sich gut vom Fruchtfleisch abziehen. Das ist ebenfalls ein gutes und weiteres Zeichen, dass die Beere reif ist.
Außerdem ist der Geschmack des Beerensafts und des Fruchtfleischs lecker süßlich, so muss es sein. Kerne, Schale und Fruchtfleisch schmecken also nicht mehr bitter oder sauer. Die Önologin zeigt sich schon einmal zufrieden.
Vor der Weinlese wird das Mostgewicht mit einem Refraktometer gemessen
Zu guter Letzt kommt die Technik ins Spiel: Rosa verwendet ein sogenanntes Refraktometer. Mit diesem Gerät lässt sich das Mostgewicht messen und daraus der exakte Zuckergehalt der Beere ableiten.
Rosa reibt den Beerensaft auf das Glasprisma des Refraktometers. Man sieht das auf dem Foto unten. Dann verschließt sie das Prisma mit einer Klappe. Durch Lichtbrechung mit einer Linse ermittelt das Refraktometer die Konzentration bestimmter Stoffe.
Rosa muss jetzt nur noch in das Okular des Refraktometers blicken und kann darin auf einer Skala das Mostgewicht ablesen. Wir sehen das wieder auf dem Foto unten. Auf 77 Grad Oechsle kommen wir bei den verschiedenen Beerenproben im Durchschnitt. Das entspricht 175 Gramm Zucker je Liter und deutet auf einen eher niedrigen Alkoholgehalt von um die 11% Vol. im späteren Wein hin. Muss ja nicht immer sein, dass spanische Weine schwer und mit viel Alkohol daherkommen. Rosa ist auf jeden Fall zufrieden. Die Weinlese kann spätestens in zwei bis drei Tagen beginnen.
Fazit: Auf was es bei der Weinlese ankommt
Die Traubenlese sollte bei kühlen Temperaturen in der Nacht oder in den Morgenstunden stattfinden. Der Transport in die Weinkellerei geht darüber hinaus idealerweise möglichst rasch vor sich, damit ggf. beschädigte Trauben nicht beim Kontakt mit Luft oxidieren oder eine unkontrollierte Gärung einsetzt.
Der Lesezeitpunkt wird vom Weinmacher bestimmt. Es ist wichtig, diesen richtig zu treffen. Unreife Trauben machen den späteren Wein bitter und sauer im Geschmack. Überreife Trauben ergeben zu alkoholische und säurearme Weine. Bereits beim Begutachten und Schmecken von Kernen und Beerenschalen erhält der Weinmacher wichtige Anhaltspunkte zum Reifegrad der Beeren. Letzte Gewissheit ergibt die Messung des Mostgewichts mit einem Refraktometer. Wenn die Beeren reif schmecken und zudem das Mostgewicht passt, ist es Zeit für die Ernte.